Die letzte Revision der Erneuerbaren Energierichtlinie enthält den Rechtsgrundsatz des überragenden öffentlichen Interesses für Erneuerbare, inklusive Wasserkraft. Zudem sieht sie kurze und einfachere Genehmigungsverfahren sowie die Integration der Wasserkraft in Beschleunigungsgebiete für Erneuerbare vor. Allerdings überlässt die Kommission die Wahl zu deren Anwendung für die Wasserkraft den nationalen Regierungen Die Reform des europäischen Strommarktes hat Flexibility Needs Assessments (FNAs) als strategische Berichtspflicht für die Mitgliedstaaten eingeführt. FNAs sollen dabei helfen, den richtigen Umfang und die richtige Art von Flexibilität zu definieren, die für eine effiziente Integration erneuerbarer Energien erforderlich sind, während gleichzeitig die Systemstabilität aufrechterhalten und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert wird. Die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) hatte Mitte Juli eine Bewertungsmethodik veröffentlicht, die nationale Regierungen im Rahmen ihres FNAs 2026 anwenden müssen.
Einige Länder, vor allem Frankreich, arbeiten bereits an einer nationalen Analyse und ziehen dabei stark die Eigenschaften und Vorteile der Wasserkraft in Betracht.
Im Rahmen der Umsetzung der EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur müssen EU-Länder der Kommission bis September 2026 nationale Wiederherstellungspläne vorlegen, in denen sie darlegen, wie sie die Ziele der Verordnung erreichen wollen. Die Grundlage dafür bildet das EU-weit einheitliche Format, das die Europäische Kommission erstellt hat. Dazu gehören u.a. Bestandsaufnahmen von Hindernissen für die Konnektivität von Oberflächengewässern (Dämme, Wehre, Schleusen usw.) sowie Ausgangskarten von frei fließenden Flüssen (FFR) aus dem Jahr 2020 und Schätzungen der Zunahme der frei fließenden Flusskilometer bis 2030 und 2050.
Gemäß Artikel 4 der Verordnung müssen zur Einrichtung sogenannter frei fließender Flüsse obsolete Barrieren beseitigt werden, die nicht mehr für die Energieerzeugung, Schifffahrt, Wasserversorgung, für den Hochwasserschutz oder für andere Zwecke benötigt werden. Es sind sowohl Querbauwerke in Flüssen als auch laterale und vertikale Hindernisse adressiert.
Die European Renewable Energies Federation (EREF) sieht bei der Erstellung nationaler Wiederherstellungspläne das Problem, dass Regierungen mit zwei Vorgaben zur Einrichtung sogenannter frei fließender Flüsse konfrontiert sein werden: zum einen mit der Umsetzung des rechtlich bindenden und eindeutigen Artikels 4 der Verordnung und zum anderen mit den nicht rechtlich verbindlichen Kriterien des neuen CIS Leitfadens (Common Implementation Strategy) zur Identifizierung frei fließender Flussabschnitte. Die aktive Mitsprache nationaler Wasserkraftakteur*innen wird also entscheidend sein.
Während die Verordnung klar ist, wird der CIS Leitfaden im Rahmen der gemeinsamen Strategie zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie derzeit noch verhandelt. Als Kriterien stehen zur Debatte, dass
- längs-, seiten- und vertikale Flussverbindungen nicht durch künstliche Barrieren behindert werden dürfen;
- lokale und großräumige Kriterien erfüllt sein müssen;
- eine Mindeststreckenlänge erforderlich ist;
- und die Auswirkungen von stromaufwärts und -abwärts gelegenen Barrieren berücksichtigt werden müssen.
Das EU-Ziel, bis 2030 rund 25.000 km frei fließende Flüsse wiederherzustellen, bleibt umstritten. Der aktuelle Entwurf der Kommission schlägt eine zweistufige Bewertung als Kompromiss vor, damit auch Teilverbesserungen erfasst werden können, wenn der vollständige FFR-Status nicht erreichbar ist. Die Bewertung würde erstens die örtliche hydromorphologische Konnektivität und zweitens das Einzugsgebiet (z.B.: Sedimentkontinuität und Fischwanderung) umfassen.
Die zweite Bewertung würde frühere Anforderungen vereinfachen, aber mehrere Mitgliedstaaten – Deutschland, die Niederlande und Polen – enthielten sich unter Verweis auf Schwierigkeiten in stark veränderten Flussnetzen. Auch südliche, wasserarme Länder (Zypern, Griechenland, Portugal) meldeten Probleme bei der Umsetzung, während Finnland, Italien und Spanien die Annahme mit Flexibilitäten und einer Überprüfungsklausel unterstützten.
Für den Ausbau der Kleinwasserkraft kann das Fehlen einer EU-weiten Definition des Begriffs „veraltete Barriere” in der CIS-Leitlinie ein Problem werden. Die WRRL definiert diesen Begriff nicht, während die NRL von den Mitgliedstaaten lediglich verlangt, Barrieren aufzulisten und ihre „Veralterung” anzugeben. In den Leitlinien der Kommission zur „Beseitigung von Hindernissen für die Renaturierung von Flüssen“ werden veraltete Hindernisse als Bauwerke beschrieben, die ihren ursprünglichen Zweck nicht mehr erfüllen. Bei der Priorisierung von Beseitigungen müssen die Behörden ökologische Vorteile gegen Funktionen wie Schifffahrt, Wasserkraftgewinnung oder Landwirtschaft abwägen, die bereits in der WRRL anerkannt sind.

Für die Reaktivierung stillgelegter Kleinwasserkraftwerke könnten diese Entwicklungen zu strengeren Genehmigungs- und Betriebsbedingungen führen. Da die neuen Verzeichnisse der Flussbarrieren für die Verfolgung der europäischen Ziele für frei fließende Flüsse von zentraler Bedeutung sein werden, müssen die Mitgliedstaaten alle Strukturen, die die Durchgängigkeit beeinträchtigen, einschließlich ihres Status und der Maßnahmen zu ihrer Beseitigung, kartieren und melden.
Weitere EU-Entwicklungen
Neben des neuen CIS-Leitfadens zur Identifizierung frei fließender Flussabschnitte wollen die Kommission und die Mitgliedstaaten ein „lebendes Dokument“ zu ökologisch vertretbaren Wasserabflüssen (E-Flows) bis Ende 2026 erstellen. Der Prozess umfasst eine Umfrage Anfang 2026, die Vorbereitung nationaler Fallstudien über einen Zeitraum von sechs Monaten, einen gemeinsamen Workshop im Herbst 2026 und die Veröffentlichung eines Berichtsentwurfs bis zum Jahresende. Das neue, öffentliche Dokument wird Fallstudien der Mitgliedstaaten enthalten, wie ökologische Abflussmengen festgelegt und angewendet werden. Ziel ist es, bisherige Verfahren anzupassen und eine technische Referenz für künftige Politik zu schaffen.
Für Kleinwasserkraftwerke ist das Thema zentral, da Mindestabflussvorschriften die Produktion unmittelbar beeinflussen. Das Dokument wird Methoden hervorheben, die ökologische und energetische Bedürfnisse in Einklang bringen, und aufzeigen, wie Abflussregime das Leben im Wasser schützen und gleichzeitig Flexibilität für die Spitzenstromerzeugung gewährleisten können. Da die Ergebnisse in WRRL-Leitlinien einfließen können, werden EREF und seine Mitlieder diesen Prozess eng begleiten.
Nach den Beendigungen der Trilogverhandlungen zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament ist die Veröffentlichung der überarbeiteten Wasserrahmenrichtlinie für das erste Quartal 2026 vorgesehen. Mitgliedstaaten haben bis Ende 2027 Zeit, sie umzusetzen.
Die Anpassung dient in erster Linie der rechtlichen Festschreibung des Weser-Urteils. Es verpflichtet Mitgliedstaaten, eine Verschlechterung des Zustands von Gewässern zu verhindern. Bislang war diese Verpflichtung in der WRRL nur allgemein formuliert und wurde durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs präzisiert. Nun bringt eine neue Definition der Verschlechterung Einklang mit der bestehenden Rechtsprechung. EREF wird eine Analyse anfertigen, sobald der finale Text der WRRL bekannt sein wird.
Positiv auf den Wasserkraftsektor wirkt sich eine neue Ausnahme in der WRRL aus, die eine kurzfristige Verschlechterung der Wasserqualität und die kontrollierte Verlagerung von verschmutztem Wasser oder Sedimenten zulässt. Dies erfordert eine Ex-ante-Bewertung und eine Ex-post-Überprüfung, dass die Verschlechterung nach einem Jahr bzw. bei biologischen Qualitätskomponenten nach drei Jahren nicht mehr feststellbar ist. Dies sollte Neubauten und Revitalisierungen von Wasserkraftwerken vereinfachen.

Weitere Änderungen in der WRRL sind geänderte Fristen für die Umsetzung und Zielerreichung in den Mitgliedstaaten. Sie haben damit nun bis 2039 (unter bestimmten Umständen sogar bis 2045) Zeit. 2033 dient als Zeitlinie für die Erreichung neuer Standards für Stoffe mit neuen Qualitätsstandards in Oberflächengewässern. Zudem gibt es verstärkte und gestraffte Überwachungs- und Berichtspflichten für EU-Mitgliedstaaten sowie eine aktualisierte Liste von Schadstoffen in Gewässern (Pestizide, Arzneimittel, Bisphenole, PFAS). Regierungen können zudem eine gemeinsame Agentur zur Überwachung der Umsetzung der WRLL einrichten.
EREF ist in den CIS-Prozess zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie involviert.
Als nächstes steht die Vorstellung von fünf Grundsatzpapieren gegenüber europäischen und nationalen Entscheidungsträger*innen an, die die Themen Fischmobilität, Sedimentmanagement, E-Flows und Biodiversität im Wasserkraftbetrieb behandeln. Diese Papiere wurden im Rahmen des EU Projekts ETIP Hydropower erstellt. Sie zeigen auf, wie sich Innovationen im Bereich der Wasserkraft positiv auf die Natur auswirken können.
Schließlich plant die Kommission für Mitte 2026 ein Whitepaper zur Vertiefung der Strommarktintegration. EREF wird dies nutzen, um Wasserkraftpositionen einzubringen – vor allem die Vergütung von Energiesystemdienstleistungen der Wasserkraft und die Streichung doppelter Netzgebühren bei Pumpspeicherkraftwerken.
Die oben beschriebenen neuen Definitionen, nationalen Pläne und technischen Standards werden die Spielräume für den Sektor neu abstecken. EREF und seine Mitglieder sind im Dialog mit Behörden, Forschung und Umweltorganisationen, um die Gestaltung der Regeln mitzuprägen und hervorzuheben, dass moderne Kleinwasserkraft ein wesentlicher Bestandteil eines widerstandsfähigen, nachhaltigen, europäischen Wasser-und Energiesystems ist.
Autorin: Silja Sigrún Ólafsdóttir, EREF Junior Policy Advisor