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Wasserkraft und die Agenda 2030 – Chancen, Herausforderungen & Widersprüche

Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit ihren 17 Social Development Goals (SDGs) zählt zu den ehrgeizigsten globalen Plänen, welche sich die Staatengemeinschaft gesetzt hat. Sie umfasst unter anderem die Bekämpfung von Armut, den Schutz der Biodiversität sowie bezahlbare und saubere Energie und bietet damit auch für die Wasserkraft eine klare Orientierung. Doch wie steht es um die SDGs, die in direkter oder indirekter Verbindung zu Wasserkraft stehen? Der Sustainable Development Goals Report 2025 zeigt eine ernüchternde Bilanz: Nur 35% aller Ziele sind auf Kurs oder machen moderate Fortschritte, 48% entwickeln sich zu langsam und 18% liegen sogar unter dem Niveau von 2015.

SDG 6 – Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen

Ein verantwortungsvoller Umgang mit Wasser ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Grundlage: Ohne nachhaltiges Wassermanagement ist der Zugang zu sauberem Wasser schnell eine knappe Ressource. Wasserkraftprojekte gestalten den Was- serhaushalt eines Landes aktiv mit – vor allem wenn Stauseen Trinkwasserversorgung, Bewässerung und Hochwasserschutz sichern. Laut UN-Report hatten 2023 73% der Weltbevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser, dennoch fehlte einem von vier Menschen eine grundlegende Sanitärversorgung. Große Infrastrukturprojekte wie Wasserkraftwerke können hier durch begleitende Investitionen in Wassernetze helfen – vorausgesetzt, Umweltstandards werden eingehalten.

SDG 7 – Bezahlbare und saubere Energie

SDG 7 ist mit Abstand der wichtigste Punkt für die globale Wasserkrafterzeugung. Diese ist ein zentraler Baustein, um den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen und Elektrifizierungsziele zu erreichen. Der Report nennt beachtliche Fortschritte: 92% der Weltbevölkerung hatten 2023 Zugang zu Strom (2015: 87%) und Wasserkraft ist in vielen Ländern der größte Erzeuger erneuerbarer Energie. Doch um das SDG 7 bis 2030 zu erreichen, müssten Investitionen in sauberen Strom deutlich steigen – die International Energy Agency schätzt, dass sich die jährlichen Investitionen in erneuerbare Energien verdoppeln müssen.

SDG 9 – Industrie, Innovation und Infrastruktur

Wasserkraftwerke sind nicht nur Energieanlagen, sondern auch bedeutende Infrastrukturprojekte. Sie schaffen Arbeitsplätze und ermöglichen Industrialisierung sowie regionale Entwicklung. Der UN-Report zeigt jedoch, dass in vielen Entwicklungsregionen der Anteil moderner Infrastruktur noch gering ist – eine Chance für Wasserkraftprojekte, wenn sie mit lokaler Wertschöpfung kombiniert werden. Auch für wachsende Städte ist eine stabile, saubere Energieversorgung essenziell. Wasserkraft kann urbane Netze zuverlässig speisen und über Pumpspeicherwerke auch Lastspitzen abfangen.

SDG 13 – Maßnahmen zum Klimaschutz

Wasserkraft ist eine der CO2-ärmsten Stromquellen und spielt damit eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der Klimaziele. Der Report mahnt jedoch: Die Welt hat bereits 2024 die 1,5 °C-Temperaturschwelle überschritten – der Druck zum schnellen Ausbau erneuerbarer Energien ist daher enorm. Die Wasserkraft kann hier einen stabilisierenden Anteil im Energiemix liefern.

SDG 14 – Leben unter Wasser

Das SDG 14 verfolgt das Ziel, Meeresressourcen zu schützen und nachhaltig zu nutzen. Der Bericht zeigt, dass die Gesundheit mariner Ökosysteme weiterhin stark unter Überfischung, Verschmutzung, Versauerung und Erwärmung leidet. Obwohl Meeresschutzgebiete ausgebaut wurden, sind viele Arten und Lebensräume weiterhin bedroht, und Fortschritte bei der nachhaltigen Bewirtschaftung von Fischbeständen bleiben unzureichend. Für die Wasserkraft bedeutet dies, dass auf das SDG 14 geachtet werden muss, da Flüsse, Seen und Küstenökosysteme eng miteinander vernetzt sind. Fischfreundliche Turbinentechnik, ökologische Durchgängigkeit und angepasste Betriebsweisen leisten hier einen wichtigen Beitrag, um die Energiegewinnung und den Schutz aquatischer Biodiversität miteinander zu verbinden.

SDG 15 – Leben an Land

SDG 15 zielt auf den Schutz, die Wiederherstellung und nachhaltige Nutzung terrestrischer Ökosysteme, die nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern, die Bekämpfung von Wüstenbildung, den Stopp und die Umkehrung der Landdegradation sowie den Schutz der Biodiversität. Der Bericht 2025 zeigt, dass trotz einiger Fortschritte der Druck auf Landökosysteme weiter zunimmt. Entwaldung, Bodendegradation und der Verlust biologischer Vielfalt schreiten voran, insbesondere durch Landnutzungsänderungen, Übernutzung natürlicher Ressourcen und den Klimawandel. Laut Report sind 47.000 Tier- und Pflanzenarten weltweit vom Aussterben bedroht – eine Entwicklung, die durch umweltschädliche Infrastrukturprojekte wie beispielsweise Bodenversiegelung noch verschärft wird. Hier werden einige Zielkonflikte deutlich. Staudämme verändern Ökosysteme, blockieren Wanderwege von Fischen und beeinflussen Sedimentflüsse. Gut geplante und nachhaltige Projekte sowie innovative Durchgängigkeitstechnologien bei wasserbaulichen Projekten sind daher unerlässlich.

Status Quo – Fortschritt und Rückstände

Die Zahlen aus dem SDG Report 2025 sind deutlich: Nur 18% der Ziele sind auf Kurs, 17% machen moderate Fortschritte. Fast die Hälfte (48 %) entwickelt sich zu langsam, und 18% der Ziele sind im Rückschritt. Das bedeutet: Selbst in Sektoren mit vorhandener Technologie, wie Wasserkraft, bremst der Mangel an Finanzierung, sinnvollen politischen Rahmenbedingungen und institutioneller Kapazität den Fortschritt.

Widerspruch und Realismus

So inspirierend die SDGs sind – sie sind gebeutelt von Zielkonflikten. Wasserkraft illustriert das perfekt. Beispielsweise steht SDG 6 (sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen), das den Bau von Wasserreservoirs miteinschließt, in vielen Gegenden im Gegensatz zum SDG 2, Kein Hunger, wo die Nutzung von Wasser vor allem für die Landwirtschaft priorisiert wird.

Auch SDG 9, wo Ziele hinsichtlich Industrie, Innovation und Infrastruktur definiert sind, kann dann nicht erreicht werden, wenn dafür z.B. Umsiedlungen vonnöten sind oder Lebensraum für Menschen verloren geht – nachhaltige Städte und Gemeinden zu errichten und zu erhalten und dabei insbesondere Wohnmöglichkeiten für alle Menschen zu schaffen, ist SDG 11. Von manchen wird auch in SDG 7, bezahlbare und saubere Energie, und SDG 15, Leben an Land, das den Schutz von Ökosystemen zur Grundlage hat, ein Konflikt gesehen – insbesondere von Naturschützer*innen. Hierbei sieht man jedoch, dass die Auswirkungen der unterschiedlichen Ziele verschwimmen und zumindest die Grundlage für Diskussionen bilden können, ist doch der Ausbau Erneuerbarer Energien zur Vermeidung von Emissionen Grundlage für den Erhalt aller Ökosysteme.

Der Report warnt, dass der aktuelle Kurs nicht ausreicht, um die Ziele bis 2030 zu erreichen. Die Umsetzung leidet unter Zielkonflikten, fehlender Verbindlichkeit, geopolitischen Spannungen und Finanzierungslücken. Ohne klarere Priorisierung und systemische Integration, etwa durch sektorübergreifende Planung bei Wasser- und Energienutzung, droht die Agenda 2030 in Teilen ein „schönes Konzept ohne Praxiswirkung“ zu bleiben.

Fazit und Ausblick

Wasserkraft kann ein Schlüsselelement für das Erreichen mehrerer SDGs sein – sie liefert erneuerbare Energie, unterstützt Klimaziele und fördert soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Doch die Technik allein reicht nicht: Nur wenn Projekte sozial ausgewogen, ökologisch verträglich und wirtschaftlich gut geplant werden, kann die Wasserkraft ihr volles Potenzial im Sinne der Agenda 2030 entfalten. Die nächsten Jahre sind entscheidend – nicht nur für die SDGs, sondern auch für die Positionierung der Wasserkraft als Treiber einer wirklich nachhaltigen Energiewende.